Wandel ist Fortschritt, Stillstand bedeutet Niedergang. Dass dieses Credo im Besonderen auch auf die IT zutrifft, zeigte die 3. ITSM-Konferenz in Fulda. Das Fazit: Unternehmen, die es schaffen, ihre IT-Infrastruktur an äußere und innere Veränderungen anzupassen, behaupten sich nicht nur am Markt, sondern gehen gestärkt aus dem Wandel hervor.
Jeder IT-Admin weiß, dass neue Projekt im IT Service Management voller Stolpersteine, Hürden und Schwierigkeiten sein können. Dass sich diese aber mit etwas Mut und Erfindungsreichtum überwinden lassen, verdeutlichten die drei auf der Konferenz vorgestellten Projekte aus dem Lebensmittel-, Automobil- und Kommunikationstechnikbereich:
- Der Gewürzhersteller Hela ist seit Jahrzehnten auf dem Markt und digitalisiert seit kurzem seine gesamte Produktion. Die Zusammenführung der klassischen IT mit der Produktions-IT war möglich, weil integrierte Prozesse im IT Service Management geschaffen wurden. Während das neue Ticketsystem zunächst fast von den eigenen IT-Mitarbeitern „kaputt boykottiert“ wurde, war die Implementierung des Monitoring-Tools von Beginn an ein Erfolg und zeigt „extrem wenige Ausfälle“.
- Den nächsten Schritt im ITSM musste auch der Kommunikationstechnikspezialist DIVICON MEDIA nehmen. Der Betreiber von UKW- und DAB+-Sendeanlagen war in kurzer Zeit stark gewachsen und musste daher seine IT-Prozesse anpassen. Die bundesweit verteilten Anlagen mit ihren vielen technischen Komponenten erforderten die Einführung einer umfangreichen IT-Inventur. Der stark gestiegene Kundenkreis erforderte die Einführung eines modernen Ticketsystems. Während bei der IT-Dokumentation die Erstellung des Relationsmodells der Knackpunkt war, sorgte die externe Anpassungsprogrammierung für unerwartete Wartezeiten während des Projekts.
- Welch´ wichtige Rolle die IT bei der Begleitung des Wachstums eines internationalen Konzerns besitzt, zeigte der Beitrag von Benteler. 30.000 Mitarbeiter in 38 Ländern bedeuten ständige Umstrukturierungen durch An- und Verkäufe, die das vergleichsweise kleine IT-Team unterstützen muss. In den letzten zehn Jahren musste daher das Monitoring des Konzerns mehrfach neu erfunden werden. Die Anpassungsfähigkeit der IT unterstützte die Wandlungsfähigkeit des Unternehmens und damit die Stärkung seiner Position als Marktführer.
Hela: ein scharfer Mix aus ITSM-Tools
Die Produktionsbranche unterliegt mit der Digitalisierung einem tiefgreifenden Wandel. Industrie 4.0 und das Internet der Dinge verändern Fertigungsprozesse rapide und weisen der IT dabei eine Schlüsselrolle zu. Auch beim Gewürzproduzenten Hela führt die IT-Abteilung die Digitalisierungsoffensive an. Wie Jürgen Lunow, Teamleiter IT-Systembetreuung, betont, schaffen offene Tools die nötigen integrierten und flexiblen Serviceprozesse, welche die Grundlage für die Industrie 4.0-Offensive des Unternehmens darstellen.
Zu den größten Herausforderungen zu Beginn des Projekts gehörte vor allem die inhomogene Systemlandschaft. Neben den unterschiedlichen Zuständigkeiten waren es eine hohe Ausfallwahrscheinlichkeit, unvollständige Servicedokumentation, schlechte Bedienbarkeit und ein fehlendes durchgängiges Monitoring bzw. Management, die zu einer zeit- und personalintensiven Betreuungssituation in der IT führten.
Da Jürgen Lunow keine Ressourcen für Pflegearbeiten hatte, führte er Groundwork für das Monitoring ein. Als das Tool nicht mehr weiterentwickelt wurde, wechselte man zu openITCOCKPIT, da es ebenfalls Open Source ist und eine grafische Oberfläche bietet. Die gute Übersicht der einzubindenden Systeme und Prozesse bei openITCOCKPIT hilft im Betrieb genauso wie die Klassifizierung der Alarmstufen. Seitdem alle Service-Checks eingerichtet sind, läuft das System sehr gut und die IT verzeichnet „extrem wenige Ausfälle“. Daher geht morgens der erste Blick der Mitarbeiter sofort aufs IT-Cockpit.
Integrierte IT-Prozesse schuf Hela zuerst zwischen Monitoring und Helpdesk, bevor die IT-Dokumentation mit einbezogen wurde. Mit dem Ticketsystem ((OTRS)) Community Edition lässt sich openITCOCKPIT einfach verbinden, sodass Störungen automatisch ein Ticket auslösen, das Informationen zu beteiligten Komponenten und Services aus der IT-Dokumentation enthält. Als Inventursoftware setzt das Unternehmen i-doit ein, weil es Schnittstellen sowohl zu ((OTRS)) Community Edition als auch zu openITCOCKPIT besitzt.
Herausforderungen im Projekt
Sowohl die Einführung des Ticketsystems als auch die Einarbeitung in die IT-Dokumentation waren mit Schwierigkeiten verbunden. Während die Helpdesk-Lösung zunächst von den Mitarbeitern boykottiert wurde, war beim Dokumentationstool i-doit eine intensive Einarbeitung notwendig, da man in der Software ein Ziel über verschiedene Wege erreichen kann. Obwohl die Discovery-Software JDisc die automatische Erfassung aller IT-Komponenten zulässt, müssen andere Items weiterhin manuell eingepflegt werden, was einen nicht zu unterschätzenden Arbeitsaufwand bedeutet.
Trotz der steinigen Umsetzung hat sich das Projekt gelohnt, wie Lunow betont, da jetzt alle Daten der IT gesammelt und in drei Systemen synchron gehalten werden können. Nach der Integration aller Prozesse zeigten sich die Vorteile der lückenlosen Informationsübergabe vom Monitoring an das Ticketsystem, sodass die Mitarbeiter die Lösungen inzwischen voll akzeptiert haben. Für die geplante Digitalisierung der Produktionsanlagen stellt das Projekt die Grundlage dar, da die IT-Abteilung zukünftig auch die Produktions-IT verantworten wird. Hier sind durchgängige, integrierte Prozesse unabdingbar.
Learnings und Empfehlungen
Müsste Jürgen Lunow das Projekt noch einmal von vorne beginnen, würde er nicht mehr mit dem Monitoring, sondern mit der Inventarisierung der IT beginnen. Für das Ticketsystem empfiehlt er, vor der Umsetzung zunächst ein Regelwerk vorzugeben, und dieses regelmäßig zu kontrollieren. Da es nicht möglich sei, sich im laufenden Betrieb alles notwendige Wissen zu den neuen Lösungen anzueignen, würde er beim nächsten Mal mehr auf das Knowhow eines Dienstleisters zurückgreifen, um mehr Zeit für die Anpassung der internen Prozesse zu haben.
DIVICON: durchgängige IT-Prozesse für die Kommunikationstechnik
DIVICON MEDIA ist ein Betreiber von UKW- und DAB+-Sendeanlagen, Antennen und Signaldistribution. Das Unternehmen war innerhalb kurzer Zeit stark expandiert, die IT-Strukturen waren jedoch nicht automatisch mit gewachsen. Wie Andreas Lorenz, Technischer Leiter bei DIVICON MEDIA, beschreibt, sollte der Betrieb der bisherigen, bewährten analogen UKW-Technik mit innovativen digitalen Monitoring- und Management-Tools aufgewertet werden, um die Marktposition des Unternehmens zu stärken.
Auch wenn der Weg dorthin steinig war, konnte die Modernisierung von Monitoring, IT-Dokumentation und Ticketsystem sowie die Integration der drei Lösungen miteinander die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens verbessern und dadurch die Stellung am Markt weiter ausgebaut werden.
Im täglichen IT-Betrieb hatte DIVICON mit der Pflege der Daten aus den verschiedenen Sendeanlagen und ihrer Komponenten eine hohe, stetig wachsende Arbeitsbelastung zu bewältigen. Um eine Störung schnell beheben zu können, muss der Techniker auf einen Blick sehen, wo sich die einzelnen Komponenten im betroffenen Sendeturm befinden.
Da die dazu nötigen Informationen in verschiedenen Systemen wie Excel und Smartsheet gepflegt wurden, mussten sie zur weiteren Nutzung immer erst manuell zu einer einheitlichen Form zusammengetragen werden. Da jedes System autark betrieben wurde, war es sehr aufwändig, die Daten überall zu pflegen, vor allem, da es keine Verbindung zwischen IT-Dokumentationssystem und Ticketsystem gab. Inventory-Daten wurden deshalb doppelt gepflegt und Tickets konnten teilweise nicht innerhalb des gewünschten Zeitraums von 30 Minuten erstellt werden.
Ziele des Projekts
Aus diesen Gründen führte DIVICON ein integriertes IT Service Management ein. Das Projekt bestand aus drei Schritten: ein modernes, effizientes Ticketsystem löste die alte, langsame Helpdesk-Lösung ab, wobei als Leitgedanke stand, dass das System an die IT-Prozesse angepasst werden müsse und nicht umgekehrt.
Das Inventory wurde zentralisiert, um eine zentrale Datenbasis für alle Unternehmensbereiche zu schaffen. Dabei wurde eine einheitliche Dokumentationsstruktur umgesetzt und der Bestand an Komponenten homogenisiert.
In einem dritten Schritt wurde das Ticketsystem mit dem Inventory kombiniert. Dabei wurden die ausgewählten Lösungen i-doit und ((OTRS)) Community Edition über einen Connector miteinander integriert. Dieser Schritt brachte die nötige Informationsklarheit in Bezug auf die Komponenten und Services in der CMDB und dem Verlauf von Störungen.
Wie Andreas Lorenz berichtet, waren die Erfolge des Projekts bereits kurz nach seinem Abschluss sichtbar: die Integration von Dokumentations- und Ticketsystem verbesserte die Effizienz der IT-Prozesse erheblich. Denn durch die Kombination der beiden Systeme können die Informationen zu einem Projekt konsolidiert angepasst zur Verfügung gestellt werden, sowohl im Inventory- als auch im Ticketsystem. Dadurch greifen die Mitarbeiter schneller auf die relevanten Informationen zu und können die Beziehung von Objekten zueinander zügiger ableiten. Die Zeiten für die Erstellung eines Tickets haben sich so stark verkürzt und lassen mehr Zeit für Betrieb, Wartung und Entstörung.
Learnings und Empfehlungen
Um die Umsetzung des Projekts zu beschleunigen, empfiehlt Andreas Lorenz, sich von Beginn an mit dem neuen Tool zu beschäftigen. Ist man bereits mit den Funktionen vertraut, spart dies während des Implementierungsprozesses wertvolle Zeit.
Nicht unterschätzt werden sollte, dass die Detailschärfe der IT-Dokumentation langsam zunimmt. Man muss darauf eingestellt sein, dass sie mit höherer Reife immer anspruchsvoller wird. Was das Ticketsystem betrifft, so empfiehlt Lorenz, möglichst früh die abzubildenden Prozesse und Inhalte zu definieren. Während der Umsetzung tauchten viele Wünsche für das neue System auf, die das Projekt weiter verzögerten. Man sollte sich deshalb bemühen, den Umfang der neuen Lösung auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Herausforderungen
Zu den Herausforderungen bei dem Projekt zählt Andreas Lorenz die zeitintensive Definition eines Relationsmodells für die IT-Dokumentation und den Abgleich mit den Möglichkeiten des Systems. Die Festlegung und Abgrenzung der Pflichtinformationen benötigte mehrere Anläufe.
Als herausfordernd stellte sich auch die Abbildung eines individuellen Ticketformulars mit bordeigenen Mitteln heraus sowie die Anpassungsprogrammierung durch einen externen Entwickler, die aufwändig war und Wartezeit kostete. Die Übersetzung von Anforderungen in einen Programmierauftrag sollte laut Andreas Lorenz nicht unterschätzt werden, da sie durchaus anspruchsvoll sei.
Das Fazit fällt trotz der Stolpersteinen und Schwierigkeiten positiv aus: die Integration von i-doit und ((OTRS)) Community Edition hat sich laut Lorenz als flexible Kombination für ein professionelles Service Management erwiesen, die angepasst an die eigenen Anforderungen großes Potenzial für weiteres Wachstum des Unternehmens freisetzt.
Benteler: Open Source in einem weltweit tätigen Konzern
Aus dem internationalen Bereich stammt das dritte Beispiel: die Benteler Gruppe führte vor einigen Jahren integrierte IT-Service-Prozesse ein, um das Wachstum des Konzerns und die weltweite IT zu unterstützen. Benteler ist ein weltweit tätiger Konzern im Bereich Automotive sowie Stahl/Rohr mit einem Jahresumsatz von ca. 8 Mrd. Euro. Der Stammsitz liegt in Paderborn, wo sich auch die beiden zentralen Rechenzentren des Konzerns befinden. Aus dem Alltag eines IT-Architekten bei Benteler berichtete Frank Recker, IT Architect, der das Projekt von Anfang an betreute.
Ziele des Projekts
Um das Wachstum des Konzerns und die weltweite IT zu unterstützen, begann Benteler vor zehn Jahren, seine Systeme und Tools im Bereich IT Service Management zu integrieren. Dabei spielten offene Technologien eine wichtige Rolle. Wie Frank Recker betonte, werden Open Source-Lösungen zwar in Unternehmen jeglicher Größe eingesetzt. Ihre Nutzung und der Rollout und Ausbau auf eine weltweite Infrastruktur sind aber eine Sache die Zeit, Mut und Ausdauer erfordert.
Im Monitoring-Bereich war das Tool openITCOCKPIT bereits über zehn Jahre im Einsatz, wurde aber nur isoliert für die Überwachung der IBM Server mit AIX Betriebssystem eingesetzt, da daneben noch viele andere Monitoring-Lösungen und -Ansätze verschiedenster Hersteller bestanden.
Ziel war es, in dieser heterogenen Systemlandschaft einen Standard zu etablieren, der weltweit genutzt werden konnte. Laut Recker war dies „eine Geschichte von längerer Dauer und vielen Facetten“. Am Ende stand eine integrierte Lösung, die nicht monolitisch ist. Viele andere Komponenten aus dem Bereich Open Source aber auch SaaS-Lösungen und andere proprietäre Software wurden mit angebunden.
Learnings und Empfehlungen:
War das Vorhaben zu Beginn ein Nischenprojekt, konnten schnell erste Ergebnisse im Monitoring erzielt werden. Grund war die Prämisse „Wir monitoren nur das, was Sinn macht und nicht das, was techniscch geht“. Mit dieser pragmatischen Vorgehensweise wurden auch die ersten Massenänderungen durchgeführt.
Als Vorteil erwies sich dabei die positive Beziehung zu den Entwicklern von openITCOCKPIT. Bei der Umsetzung wurde schnell klar, dass Open Source-Werkzeuge nicht unbedingt primär für
- Massenänderungen
- RollBased Access
- Satellitenkonzepte
- Dashboards
- Reporting
- Einsatz im Produktionsumfeld, das WAN Ausfälle verkraften muss
entwickelt werden. In einer engen Zusammenarbeit zwischen den Administratoren von Benteler und den Tool-Entwicklern wurden über die Jahre viele Verbesserungen eingearbeitet, von denen auch andere Nutzer und Kunden profitieren konnten. Wie Frank Recker heraushob, zahlten sich hier Kreativität für neue Ideen, Hartnäckigkeit gegenüber den Entwicklern und der Besuch von Software-Konferenzen und -Veranstaltungen aus, um immer die aktuellen Entwicklungen mitzuverfolgen.
Herausforderungen
Das Projekt umfasste viele verschiedene Herausforderungen, von denen Frank Recker nur einige erwähnte:
- Kultur beachten
In einem multinationalen Konzern wie Benteler sollten Systemdokumente und Schulungsmaterial immer mindestens zweisprachig erstellt werden. Entsprechende Schulungen von KollegInnen sind enorm wichtig. - Vorhandene Tools respektieren
Bereits bestehende und etablierte Tools sollte man keinesfalls einfach abschalten und den KollegInnen ein neues Werkzeug vorschreiben. Vielmehr sollte man auf Schnittstellen wie RestAPI und JSON zurückgreifen, um vorhandene Lösungen zu integrieren. - An Automatisierung denken
Man sollte versuchen, in so vielen Bereichen wie möglich zu automatisieren. Laut Recker betrifft das nicht nur das Rollout der Lösung und Monitoring der Umgebung, sondern auch das ITIL-Tool und die Ticketerstellung, bei der Daten aus dem Monitoring und der CMDB-Lösung gleich mitgenutzt werden sollten. - Skeptisch sein
Grundsätzlich rät Frank Recker zu einem gesunden Misstrauen gegenüber den Versprechen der Hersteller. So sollte man Produktversprechen stets kritisch hinterfragen. Man solle aber auch einsehen, dass Tools nicht das einzig glücklich machende Mittel sind. Daten und vorhandene Schnittstellen seien wichtiger, um eine integrierte IT Service-Landschaft zu erreichen.
Durch die Beachtung dieser Punkte ist bei Benteler eine Lösung entstanden, die das Wachstum des Konzerns unterstützt und die selbst immer weiter wächst und automatisiert wird. Das Zentrum bildet ein leistungsfähiges Dreieck aus CMDB, ITIL-Tool und Monitoring mit aussagekräftigem Reporting.